Benin: Restitution als Prozess


Das Linden-Museum Stuttgart zeigt ab Sonntag, 18. September, die Präsentation „Benin: Restitution als Prozess“.

Die Restitution der 1897 im Königreich Benin (Nigeria) erbeuteten Objekte ist in vollem Gange. Das Linden-Museum ist Mitglied der Benin Dialogue Group, die diesen Prozess seit Jahren vorbereitet und begleitet hat. Mit einer Präsentation im oberen Foyer zeichnet das Museum den Weg der Objekte ins Linden-Museum historisch nach, macht Meilensteine ihrer Rückführung nach Benin City sichtbar und stellt Perspektiven auf ihre Zukunft vor.

1897 wurde Benin City, die Hauptstadt des Königreichs Benin, Ziel einer britischen „Strafexpedition“. Große Teile der Stadt wurden dabei verbrannt und zerstört. Britische Soldaten plünderten mehrere Tausend Objekte aus dem Königspalast und anderen Gebäuden hochrangiger Würdenträger. Die meisten der geplünderten Objekte wurden vom britischen Militär bzw. Militärangehörigen verkauft und zahlreiche bei Auktionen in London versteigert. Käufer waren Privatpersonen, Museen sowie Ethnografika-Händler, die vom Zwischenhandel an Museen profitierten. Die im Linden-Museum verwahrte Benin-Sammlung umfasst 70 Objekte, die dem Königreich Benin und größtenteils diesem gewaltsamen Kontext zugeordnet werden können. Über die Hälfte der Sammlung traf bereits 1899 am Museum ein und ist auf den Hamburger Händler Heinrich Bey zurückzuführen.

Das Linden-Museum ist seit 2018 in der Benin Dialogue Group engagiert. Ziel dieser 2007 von Barbara Plankensteiner und den nigerianischen Partner*innen ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe ist es, den Dialog zwischen Vertreter*innen der Museen mit großen Benin-Sammlungen in Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien mit Vertreter*innen des Bundesstaats Edo, des königlichen Palasts von Benin und der National Commission for Museums and Monuments in Nigeria zu fördern. Die Gruppe hat jahrelang die transparente Weitergabe von Wissen und Informationen zu den vorhandenen Sammlungen gefördert, die Grundlagen für Restitutionsgespräche von Benin-Objekten geschaffen und den Neubau des Edo Museum of West African Art (EMOWAA) in Benin City begleitet. Aus Deutschland sind neben Stuttgart die ethnologischen Museen in Hamburg, Berlin, Köln und Leipzig/Dresden beteiligt. Anfang 2021 verständigten sich das Auswärtige Amt, die Kulturstiftung des Bundes, die Träger der Museen sowie die Museumsleitungen in Deutschland auf ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern für die Restitution der Benin-Objekte an Nigeria. Am 1. Juli 2022 wurde die Rückgabevereinbarung aller Benin-Objekte an Nigeria unterzeichnet. Ende 2022 sollen die ersten Rückgaben erfolgen. Einige der 70 Werke aus Benin am Linden-Museum sollen vorerst als Dauerleihgabe in Stuttgart verbleiben. Da die Mehrheit dieser Objekte zum gemeinsamen Bestand der Stadt Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg gehört, wird die letztliche Entscheidung zur Restitution von beiden Akteuren getroffen.

Die Restitution eröffnet neue Perspektiven für die Kooperationspartner*innen und die beteiligten Institutionen, um die Museumssammlungen über geografische Grenzen hinweg gemeinsam zu erforschen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nachfahr*innen des Königshauses, die nigerianische Bevölkerung und Besuchende können sich die Kunstwerke von Benin künftig im Edo Museum of West African Art (EMOWAA) ansehen und ihre historische wie gegenwärtige kulturelle Bedeutung an dem Ort erfahren, wo sie vor 125 Jahren geplündert wurden. Zusätzlich ermöglichen Digitalisierungsverfahren wie Fotografien oder 3D-Scans die weltweite Erforschung, Dokumentation und Vermittlung von Kunstwerken unabhängig vom Standort der Objekte.

Die Präsentation ist im oberen Foyer zu sehen, der Großteil der Benin-Objekte selbst ist in der Ausstellung “Wo ist Afrika?“ ausgestellt.

Pressemitteilung (pdf)

Pressefotos


Reliefplatten aus dem Königspalast von Benin-Stadt, Nigeria, Copyright: Linden-Museum Stuttgart, Foto: Harald Völkl | Download